Grün-As

»Ich bin der Dorn im Fleisch«

Interview: Rainer Strege

Der Bildhauer Rainer Strege wurde 1956 in Leipzig geboren, absolvierte eine Holzmodellbau-Lehre und studierte im Anschluss Holzgestaltung an der Fachhochschule Schneeberg bei Prof. Brockhage. Seit 1981 arbeitet er als freischaffender Bildhauer in Leipzig und Umgebung. Auch in Grünau trifft man auf Streges Kunst. So stammen beispielsweise der Spielplatz »Wolf und sieben Geißlein« im WK 7, das mittlerweile nicht mehr vorhandene »Regenbogentor« am Grüngürtel im WK 8.3 und Objekte am Rodelberg von ihm. Die wohl bekanntesten Skulpturen jedoch findet man im WK 5.1. Der Spielplatz »Don Quichotte« zählt zu einem der schönsten und beliebtesten.

Klaudia Naceur
Ihre Skulpturen sind sowohl aus Holz, Stein und seit kurzem auch aus Marmor. In Grünau haben Sie allerdings vorrangig mit Holz gearbeitet. Was macht für Sie den Reiz dieses vergänglichen Materials aus?
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Rainer Strege
Gesellschaftliches Denken geht ja meist in Richtung Ewigkeit. Dabei wird verdrängt, dass sich eigentlich alles ständig wandelt, vergänglich und endlich ist. Aber Umwandlung kann auch positive Aspekte haben. Meine Objekte müssen ihre Gültigkeit nicht unbedingt bewahren. An manchen Stellen habe ich mich ganz bewusst für diese temporäre Kunst entschieden - dieser Kampf der Elemente ist doch auch sehr interessant.
Klaudia Naceur
Blutet einem Künstler denn nicht das Herz, wenn er seine mit viel Mühe geschaffene Arbeit zerfallen sieht?
Rainer Strege
Um ehrlich zu sein, sind Atelier-Plastiken natürlich persönlicher - ohne dass das eine Wertung der geschaffenen Dinge sein soll. Kunst im öffentlichen Raum ist immer ein Experiment für alle Beteiligten. Sowohl für den Künstler als auch für die Betrachter. Der Umgang mit ihr ist mitunter sehr unterschiedlich. Da finden Auseinandersetzungen statt - egal welcher Art. Es kann auch unheimlich spannend sein, zu erleben, wie eine Arbeit angenommen wird. Natürlich habe ich dabei im Hinterkopf, dass unabhängig von Witterungseinflüssen, die Skulpturen beschädigt werden können. Da muss man einfach loslassen können, man muss sie freigeben für diejenigen, für die sie gemacht wurden.
Klaudia Naceur
Ihre Objekte in Grünau haben nun ganz unterschiedliche Schicksale erlitten. Das Regenbogentor ist weggefault, die Kunst am Rodelberg ist mehr oder weniger zerstört worden, dafür ist Don Quichotte in einwandfreiem Zustand. Wie erklären Sie sich das?
Rainer Strege
Das kann man nicht erklären. Beim Regenbogentor war der ungünstige Boden am schnellen Verfall schuld. Der Zustand einiger Bildhauereien am Rodelberg ist natürlich schade, aber vielleicht liegt es daran, dass sie so völlig im freien Raum stehen. Die von mir geschaffenen fünf Skulpturen, die Fichtenstämme stehen im interessanten Spiel der Kräfte. Das Skulpturbild behauptet sich, gleichzeitig findet man aber auch Spechtlöcher. Und Don Quichotte ist als Spielplatz konzipiert, liegt mitten in einem Innenhof und wird meines Erachtens gut angenommen.
Klaudia Naceur
Freut es Sie, dass die gut 20 Jahre alten Figuren noch so beliebt sind?
Rainer Strege
Ja, ich war jetzt das erste Mal seit langem wieder dort und bin zufrieden. Natürlich gibt es gewisse Abnutzungserscheinungen, aber das beweist letztendlich nur, dass immer noch Kinder darauf spielen. Die Wandlung des Holzes gefällt mir sehr - dieser Patina-Überzug ist einfach toll.
Klaudia Naceur
Und was sagen Sie zur Wandlung Grünaus? Als Sie in den 80er Jahren die Figuren installierten, sah es hier sicher noch nicht so aus...
Rainer Strege
Das ist richtig. Ich bin wirklich positiv überrascht, wie grün und ruhig es ist - ein wirklich schöner Fleck für einen Spielplatz. Generell freue ich mich über die Entwicklung des Stadtteils. Nach der Wende gab es ja die Befürchtung, dass hier alles den Bach runtergehen könnte. Das hat sich zum Glück nicht bewahrheitet.
Klaudia Naceur
Trotzdem gibt es solche Künstler wie Harry Müller, denen es ein Graus wäre, ihre Plastiken in Grünau zu wissen ... Wie wichtig ist denn das Umfeld oder anders gefragt: Wie wichtig ist es Ihnen, dass den Menschen Ihre Kunst gefällt?
Rainer Strege
Schwierige Frage. Mit dem Gefallen ist das so eine Sache. Ich möchte natürlich, dass jemand meine Kunst annehmen kann oder dass sie jemanden erreicht. Aber ich würde nicht zu Gefälligkeiten neigen, also nicht etwas tun, nur weil es anderen gefällt. Aber diesbezüglich war ich schon immer ein Querdenker, der Dorn im Fleisch. Andere haben ihre Auftragswerke weniger als Kunst und vielmehr als Möglichkeit, Geld zu verdienen gesehen. Leute, die keine Ahnung und auch gar kein Interesse hatten, konnten richtig viel Geld verdienen, wenn sie sich mit den Auftraggebern arrangierten.
Klaudia Naceur
Apropos Auftragswerke: Wie war das eigentlich damals? Wer hat Ihre Kunst in Auftrag gegeben?
Rainer Strege
Zum einen gab es das so genannte BAK - das Büro für architekturbezogene Kunst. Allerdings war es in der HGB-Stadt Leipzig sehr schwierig wenn nicht gar aussichtslos da rein zu kommen. Was mein Bruder Jürgen, der bis zur Wende an vielen meiner Installationen mitwirkte, und ich machten, wurde nicht vom BAK betreut und daher auch nicht als Kunst im öffentlichen Raum geführt. Das war alles zu verspielt, zu funktional. Damals hat mich diese Ausgrenzung natürlich geärgert, heute könnte ich es dagegen sogar als Vorteil betrachten.
Klaudia Naceur
Inwiefern?
Rainer Strege
Ich konnte nach meinen eigenen Vorstellungen arbeiten und meine Ideen eins zu eins umsetzen. Ich bekam meine Aufträge vom Freiflächenbau Leipzig (FBL). Damit gab es keine politischen Ansprüche. Die Künstler, die für das BAK arbeiteten, mussten ihre Werke ständig in irgendwelchen Gremien vorstellen, in denen diese dann zur Diskussion standen. Die Entwürfe wurden kritisiert und meistens nach den Vorstellungen der Gremienmitglieder verändert. Die Bedingungen für mich waren einfach andere.
Klaudia Naceur
Kommen wir noch einmal zu Don Quichotte. War das Thema damals eigentlich vorgegeben?
Rainer Strege
Nein, ich wusste nur, dass es als Spielplatz genutzt werden soll.
Klaudia Naceur
Warum dann der Kampf gegen Windmühlen? War das nicht ein sehr provokantes Thema sowohl im allgemein politischen Sinne, als auch im Hinblick auf Ihre Situation als Künstler?
Rainer Strege
Ist es ja immer noch - das Thema bietet sich heute fast noch besser an. Davon abgesehen, ist die Geschichte natürlich phantastisch und hat schon viele Menschen animiert. Don Quichotte erlebt Abenteuer und Kinder wollen beim Spielen dasselbe. Die Verbindung lag einfach nahe.
Klaudia Naceur
Wenngleich eine ganz besondere, ist der Spielplatz nur einer von sehr vielen künstlerischen Arbeiten in Grünau. Würden Sie angesichts der immensen Dichte an Kunstwerken aller Art von einem Kunststandort Grünau sprechen?
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Rainer Strege
Die Bezeichnung Kulturstandort finde ich passender. Grünau ist für mich kein klasssicher Kunststandort. Das Ansinnen in der DDR, Kunst gezielt zu fördern war zwar wichtig, aber durch Installationen kann man eben nichts kompensieren oder erzwingen. Es wird immer dichte Kunstlandschaften neben Gebieten geben, die leerer sind. Allerdings hat auch die Leere ihre Berechtigung. Das ist aber eine ganz subjektive Einschätzung von mir.
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