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Die MarBEG

ImageLink Wenn in Leipzig von Beschäftigungsgesellschaften die Rede ist, ist fast stets der Betrieb für Beschäftigungsförderung gemeint. Es gibt aber auch noch etliche kleine, die ohne Skandale, abseits der öffentlichen Aufmerksamkeit einfach gute Arbeit leisten. Eine davon ist die Markranstädter Beschäftigungs-, Entwicklungs- und Qualifizierungsgemeinschaft e.V., kurz MarBEG genannt. Gegründet wurde der Verein in den Wirren des Jahres 1990 als Auffangbecken für die entlassenen Mitarbeiter des sogenannten Hubtischbaues (VEB Hebe- und Fördertechnik GmbH) in Plagwitz in der Markranstädter Str. 7. Bald kam es zu Kontakten mit einer ähnlichen Initiative bei ORSTA Hydraulik Markranstädt (heute Hydraulik Markranstädt GmbH).

Im November 1991 kam es zur Gründung einer gemeinsamen Gesellschaft. Vorgesehen war zunächst die Gründung einer kommunalen Beschäftigungsgesellschaft. Die entsprechende Beschlussvorlage wurde jedoch vom Markranstädter Stadtrat abgelehnt. Daraufhin übernahm zunächst die Hydraulik Markranstädt GmbH die Trägerschaft. In dem Maße wie sich aber Herrn Kohls Versprechen von raschem Wirtschaftswachstum als bunte Seifenblase entpuppte und platzte und die notwendigen Abbruch- und Aufräumungsarbeiten auf dem Gelände des Markranstädter Betriebes geleistet waren, verlor auch der inzwischen privatisierte Markranstädter Betrieb das Interesse. Seit 1993 arbeitet der Verein daher selbständig. Zugleich wurde ein privates Unternehmen mit 16 Arbeitsplätzen für bauvorbereitende Maßnahmen in Plagwitz gegründet.

Bild Carmen Stoll, Sabine Kißling und Inge Böhland; Foto: Grün-As

Trotz der Krise im Bau hat sich die Ausgründung bis heute behauptet, auch wenn inzwischen Mitarbeiter abgebaut werden mussten. Mit der Selbstständigkeit änderte sich auch das Selbstverständnis. Ursprünglich sollten die Beschäftigungsgesellschaften den Mitarbeitern helfen, ihre Betriebe zu sanieren und zu modernisieren. Parallel war konzipiert, die Mitarbeiter zu qualifizieren und sie für den neu entstehenden Arbeitsmarkt fit zu machen. Nach Abschluss der Modernisierung sollten die Beschäftigten dann wieder in ihr inzwischen modernisiertes und privatisiertes Unternehmen zurückkehren oder in einem der vielen in den Köpfen der herrschenden Politiker neugegründeten Unternehmen einen neuen Arbeitsplatz erhalten. Auf diese Weise sollten die Beschäftigungsgesellschaften für die Arbeitnehmer eine Brücke bilden von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft. Daraus wurde bekanntlich nichts.

In Leipzig wurden bis Mitte der 90er Jahre fast 90% der einst vorhandenen Industriearbeitsplätze abgebaut. Seitdem wächst die Zahl der Industriearbeiter wieder, aber so langsam, dass die meisten der ehemaligen Industriearbeiter nie wieder einen Industriearbeitsplatz finden werden. Auch die Hoffnung - Leipzig ein modernes Dienstleistungs- und Finanzzentrum - hielt nicht was sie versprach: genügend anspruchsvolle Arbeitsplätze in modernen Dienstleistungsunternehmen zu schaffen. Damit diese Vision trägt, brauchte Leipzig die Zentralen einiger großer Unternehmen und eine international renommierte Technikforschung. Inzwischen setzen die Wirtschaftsförderer im Rathaus gestützt auf die Ansiedlung von Porsche und BMW wieder auf Industrie. Den meisten der älteren Arbeitslosen wird das nichts nützen. Die Beschäftigungsgesellschaften sind von der Brücke für viele zum letzten Rettungsanker geworden, ihren Lebensunterhalt mit sinnvoller Arbeit selbst zu verdienen.

Die MarBEG geriet dabei zunächst in den Schatten der großen und musste ohne staatliche Zuschüsse und politische Beziehungen ihre Kosten selbst erwirtschaften. Auftragsakquise war unter diesen Bedingungen schwierig. In ihren besten Zeiten haben bei der MarBEG über 100 Mitarbeiter über ABM gearbeitet. Im Moment sind es 34. Die Projektliste ist lang. Ausgeführt wurden vor allem Rückbau und Abbrucharbeiten, Landschaftspflege und Kleingewässersanierung um Markranstädt und Miltitz, teilweise auch in Zwenkau und Kitzen. In letzter Zeit hat der Verein begonnen, verstärkt die Geschichte der Plagwitzer Unternehmen aufzuarbeiten. Auch zu historischen Persönlichkeiten, die aus unserer Region stammen, woanders wirkten und in der Fremde berühmt in ihrer Heimat aber vergessen sind, arbeitet die Beschäftigungsgesellschaft. Vor allem bei ihren historischen Recherchen und den verbundenen Ausstellungen und Veröffentlichungen arbeitet die MarBEG eng mit anderen Vereinen wie ProLeipzig sowie den Nachfolgebetrieben zusammen. Das bringt für die Mitarbeiter Kontakte und know how, die bei der Arbeitsuche helfen.

Die großen Konkurrenten gibt es zum Teil nicht mehr, so zum Beispiel die ABS, die aus den Leipziger ORSTA Hydraulik Betrieben gebildet wurde. Die MarBEG und viele andere kleine haben es gelernt, unter schwierigen Bedingungen ständig neue Arbeitsfelder zu finden, Projekte zu finden, für die auch zusätzliche Mittel eingeworben werden müssen und vor allem sauber zu kalkulieren. Auch die Zahl derjenigen, die aus den kleinen Gesellschaften nach der ABM eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt finden, ist um mindestens das 10fache höher als beim bfb. Allerdings ist auch das viel zu wenig, auch bei der MarBEG gelingt nur einer Minderheit der Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt.

Wunschprojekte der MarBEG sind die Reaktivierung alter Ortsverbindungswege um Grünau und Markranstädt und deren Erschließung für Radfahrer und Fußgänger, die Schaffung einer Vogelherberge in einer alten Trafostation in Frankenheim und die Erhaltung der alten Windmühle in Lindenauendorf. Der Eigentümer würde die Mühle bzw. das, was von ihr erhalten ist, gern abgeben, da er das Grundstück anderweitig verwerten will. Markranstädt möchte sie gern zur Aufwertung der Region für Naherholungssuchende sanieren lassen und in Frankenheim wieder aufbauen. Nur mehr als wiederholte Willensbekundungen sind bisher nicht herausgekommen.

Die Sanierung der Mühle und ihre Verlagerung dürften zusätzlich zu den ABM-Mitteln des Arbeitsamtes etwa 100000 bis 150000 Euro kosten und die muss die Markranstädter Stadtverwaltung erst einmal auftreiben. Vielleicht kommt Bewegung in die Sache, wenn sich der Grüne Ring der Angelegenheit annimmt oder die Stadt Leipzig ihr Interesse bekundet. Ich könnte mir die Mühle auch gut am Göhrenzer Ufer des Kulkwitzer Sees vorstellen. Sie könnte dort Strom produzieren mit dessen Hilfe der Zschampert bis zur Einmündung der geplanten Freispiegelleitung mit Wasser versorgt werden könnte. Die Mühle selbst könnte für Ausstellungen oder eine kleine Gasstätte genutzt werden. Das würde dieses Ufer des Sees für Erholungssuchende deutlich aufwerten.

Die Stadt Leipzig wäre jedenfalls gut beraten, wenn sie nach dem bfb nicht wieder Riesenbeschäftigungsgesellschaften als Träger für ABM aufbaute, sondern besser die kleinen Selbstständigen unterstützte. Die sind flexibler, stützen sich auch auf ehrenamtliches Engagement und helfen den Mitarbeitern bei allen Problemen mit mehr Erfolg, denn neue Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt können auch sie nicht schaffen, der Fürsorge des Arbeitsamtes zu entgehen. Ein Wettbewerb kleiner ABM-Träger bringt für die Stadt und vor allem für Arbeitsuchende mehr als neue verkrustete und verbürokratisierte große Gesellschaften in kommunaler Trägerschaft.
Dr. Leonhard Kasek

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