Grün-As

Investruine am Ortseingang?

Investor Daffner scheitert mit Plänen für eine Seniorenwohnanlage - Stadtverwaltung verweigert die Baugenehmigung und verweist auf die Sanierungsziele

»Für die geplanten 51 Wohnungen gibt es bereits 120 konkrete Interessenten mit Namen und Adresse«, schreibt Hans-Jürgen Daffner in einem Brief an Martin zur Nedden. Ganz konkret erläutert der Großinvestor dem Leipziger Baubürgermeister, welche Pläne er mit dem von ihm erworbenen ehemaligen Schulgebäude gleich am westlichen Ortseingang an der Lützner Straße hat: Altersgerechte Wohnungen sollten entstehen, die einziehenden Senioren sollten von einem stationären Pflegedienst betreut werden (»Grün-As« berichtete).

Aus Vermietersicht war alles in trockenen Tüchern - nur die Baugenehmigung seinerzeit noch in der Schwebe. Laut Daffner, der in und um Grünau durch diverse Unternehmen ziemlich präsent ist (Autos, Immobilien, Möbel), ein übliches Vorgehen: »Bevor ich baue, will ich die Kernmieter sicher haben«, begründet er. Die Verweigerung des besagten Schriftstücks durchkreuzt jedoch Daffners Pläne. Im städtischen Amt für Stadterneuerung und Wohnungsbauförderung (ASW) verweist man auf die Sanierungsziele: Für diesen Teil Grünaus habe man sich in einem demokratischen Prozess verbindlich auf Rückbau festgelegt. Folgerichtig wird dort jedwede Erweiterung des Wohnungsangebots von der Stadtverwaltung verhindert.

»Wir haben absolut nichts gegen das Konzept«, heißt es amtsseitig, »aber nicht an diesem Standort.« Während Hans-Jürgen Daffner dies für unflexibel hält (»Wir sind doch nicht mehr DDR! Warum soll sich denn jemand nicht aussuchen dürfen, wo er wohnen möchte?«), kontert das ASW mit nachvollziehbaren strategischen Überlegungen. Die Sanierungsziele seien sinnvoll: Die angestrebte Konzentration macht Infrastruktur preiswerter und verhindert noch höhere Leerstandsquoten. Kurz gesagt: Wer bei Daffner einzieht, hinterlässt anderswo ein Loch, aus dem mühsam zu webenden Bevölkerungsteppich wird ein Flickenteppich.

Schrumpft Grünaus Außenbereich wie von den Planern gewünscht, stünden die Senioren dort bald alleine da, auch wenn vorm Haus der Bus abfährt und man gegenüber einkaufen kann. Dabei ist auch das Grünau-Schrumpfen auf dem Reißbrett reines Wunschdenken, denn die aktiven Wohnraumanbieter sanieren munter auch in dieser Ecke. Es gilt Bestandsschutz, und an Verzicht und Abbruch denkt kaum ein Unternehmen, abgesehen von der städtischen LWB. Freilich gilt auch: Irgendwo muss der Hebel ja angesetzt werden - bleibt die Verhinderung neuer Pläne.

Daffners weiterer Einwand, ein nicht mit normalem Wohnraum vergleichbares Konzept werde hier boykottiert, wird vom ASW völlig anders betrachtet: »Das sind ganz klar Wohnungen mit Mietverträgen, daran ändert auch das Vorhalten eines Pflegedienstes nichts«, sagt eine Mitarbeiterin. Zudem setzten die Wohnungsunternehmen in Grünau massiv ähnliche Vorhaben um - Daffners Pläne seien also nichts »Extraterrestrisches«. Außerdem könne er hinsichtlich der Nutzung doch umschwenken: Entweder dasselbe Ziel an anderem Ort verfolgen. Oder vor Ort den Bau eines Pflegeheims prüfen. Denn das würde nicht gegen die Sanierungsziele verstoßen. Das jedoch will Daffner nicht: »Da ist das Volumen zu groß.«

Das gewichtigste Argument der Verwaltung ist, dass Investor Daffner sich das Scheitern tatsächlich selbst anzurechnen hat. Keineswegs sei er beim Kauf des Gebäudes - Vorbesitzer war nämlich die Stadt Leipzig - im Sinne von »Hauptsache verkauft« übertölpelt worden: »Beim Verkauf von Gebäuden in Sanierungsgebieten sind wir als ASW dabei. Herr Daffner hat seinerzeit ein völlig anderes Konzept vorgelegt, woraufhin der Kauf genehmigt wurde«, heißt es aus dem Amt. In seiner Replik an den Investor schreibt Bürgermeister zu Nedden: »Bereits im Rahmen der Verkaufsverhandlungen wurden Sie [...] über diese Beschränkung der Nutzungsoption informiert. Die Nutzungseinschränkung war Ihnen damit bereits zum Zeitpunkt des Objekterwerbs bekannt.«

Daffner bestreitet dies nicht, wusste auch um das Risiko. Die starre Haltung der Stadt ärgert ihn dagegen sehr, zumal er in Leipzig nicht gerade ein Unbekannter ist. »Da hätte es sich schon gehört, mal persönlich mit mir zu reden, statt mich mit einem Brief abzuspeisen«, sagt er an die Adresse des Baubürgermeisters. Das frisch verabschiedete städtische »Positionspapier zum altenfreundlichen Wohnen in Leipzig«, in dem Stadt und Wohnungsunternehmen deutlich ihre Ziele hinsichtlich eben solcher Wohnformen definieren, dürfte ihm wie Hohn vorkommen. Für sein einstiges Vorhaben, kleinere Händler und einen Klub anzusiedeln, habe er schlichtweg nicht genügend Interessenten gefunden, sagt Daffner. Es stellt sich die Frage, ob ein derart erfahrener Investor nicht ein wenig in die Trickkiste gegriffen hat: Das erste Konzept nur ein Vorwand? Die versuchte »Umnutzung« durch die Hintertür von vornherein geplant?

Im ASW will man sich dazu nicht äußern, spricht lediglich unkonkret von der Kenntnis über derlei Kniffe. Daffner dementiert: »Die Idee kam erst 2009 nach Gesprächen mit dem Pflegedienst. Das Gebäude habe ich doch viel eher erworben, etwa zur Fußball-WM 2006.« Doch was geschieht nun mit der Immobilie? Der erste Blickfang etlicher Leipzig-Besucher ist nämlich ein durch und durch hässlicher. Hans-Jürgen Daffner ist das, zumindest vorerst und ein wenig aus Frust, relativ egal. »Nach den Querelen habe ich erst einmal andere Prioritäten«, sagt er hörbar verschnupft und verweist auf ein ähnliches Projekt, das er nun in Chemnitz betreut.

Selbst wenn ihm eine Rückabwicklung des Kaufs angeboten würde, wäre das keine Option. »Vielleicht ändert die Stadt irgendwann ihre Sanierungsziele.« Eine durchaus interessante Alternative steht bereits auf Daffners Ideenliste: Das Miniatur-Wunderland in Hamburg, die größte Modelleisenbahn der Welt mit Landschaften über mehrere Etagen, habe ihm imponiert. Ein ähnliches Projekt am Rande Leipzigs, das könne er sich zumindest vorstellen, so der Investor. Realistischer ist jedoch zunächst das Modell »Bruchbude«.

Reinhard Franke
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