Grün-As

Geschichte des Kulkwitzer Sees

Link Der Beginn des Sees reicht weit in die Vergangenheit zurück. Vor ca. 38 Mio Jahren waren große Teile des Gebietes, in dem sich heute Leipzig befindet, von einem riesigen Moor bedeckt. Das Klima war feucht-warm. Abgestorbene Pflanzen versanken im Morast, der keinen Sauerstoff enthielt. Hauptbestandteil dieser langsam immer stärker werdenden Pflanzendecke waren Torfmoose. Aber auch Bäume stürtzten immer wieder in den Morast und wurden dort konserviert. Später, als das Klima trockener war, wurde alles von Lehm, Sanden und Kies bedeckt.

BildBleßhühner am Kulkwitzer See, Foto: Elke Göbel
Während der Saaleeiszeit schoben die Gletscher aus Skandinavien gewaltige Massen aus Gebirgsschutt und verwittertem Boden heran, die als Moränen liegen blieben. Unter dem Druck der Deckschichten wurde der Torf verdichtet und langsam in Braunkohle umgewandelt. Viele Pflanzen und Tiere aus der Entstehungszeit der Braunkohle sind längst ausgestorben. So war es eine Sensation, als 1943 in einem abgelegenen Tal in China der Urweltmammutbaum entdeckt wurde. Der Baum war aus gut erhaltenen Resten in den Braunkohleflözen längst gut bekannt und galt seit Millionen von Jahren ausgestorben. Inzwischen wächst er auch wieder in Grünau und Umgebung.

Das nächste Kapitel der Geschichte des Sees begann vor ca. 150 Jahren. Die beginnende Industrialisierung erzeugte einen unermesslichen Hunger nach Energie, der mit Holz nicht mehr zu decken war. Zugleich stand mit dem sich entwickelnden Eisenbahnnetz ein Transportmittel zur Verfügung, das es erlaubte, die Kohle kostengünstig zu transportieren. Die wurde zunächst zwischen Markranstädt und Kulkwitz im Tiefbau abgebaut. Da die alten Schächte schlecht gesichert wurden, sind sie teilweise nach ihrer Stilllegung eingebrochen. Die meisten dieser Einbrüche wurden später wieder aufgefüllt.

Der kleine See an den 4 Schachthäusern bei Markranstädt blieb aber erhalten. In der Friederikenstraße in Leipzig steht noch ein alter Förderturm, der daran erinnert, wie es vor 100 Jahren um Markranstädt ausgesehen hat. Vor 100 Jahren war die Stahlbautechnologie soweit fortgeschritten, dass es möglich wurde, große, leistungsstarke Bagger und Förderbrücken zu bauen. Damit wurde es möglich, Kohle wirtschaftlich im Tagebau zu fördern. Nach dem ersten Weltkrieg traten dann die Tagebaue um Leipzig ihren Siegeszug an. Die Tagebaue begannen bei Kulkwitz und stießen nach Osten und Nordosten vor. Die ältesten Teile sind längst wieder verfüllt. Auf großen Teilen dieser alten Kippe steht heute der Pappelwald. Auch das Naturschutzgebiet Kulkwitzer Lachen befindet sich auf Kippenboden.

In den 30er Jahren erreichte der Tagebau bei Göhrenz das Gebiet des heutigen Sees. In den 50er Jahren wurde die Förderung im Nordteil begonnen. Der alte Tagebau zwischen Lausen und Göhrenz war dabei durch einen Erddamm vom neuen Tagebau getrennt. Der Erddamm begann am Roten Haus bei Lausen (das ist die alte Trafo-Station des Tagebaues) und erreichte an der Nord-West-Spitze des Pappelwaldes die Markranstädter Seite. Erst Ende der 70er Jahre wurde er überflutet.

Bis dahin wurde der See im alten Tagebaurestloch als Spülkippe für die Asche aus dem Kraftwerk Kulkwitz genutzt. Im neuen Tagebau wurde die Förderung Anfang der 60er Jahre beendet. Die Braunkohle brachte für die Anwohner nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch zahlreiche Probleme: das Grundwasser wurde drastisch abgesenkt. Staubstürme suchten die Nachbarn heim. Nach der Stilllegung entzündeten sich die Kohleflöze und bis Ende der 60er Jahre verpesteten die schwelenden Flöze die Luft. Im Dunkeln sah der glühende Ring gespenstisch aus. Erst als das Wasser die Flöze überflutete, hörten die Schwelbrände endgültig auf.

Die Anwohner nahmen den entstehenden See sofort in Beschlag, nachdem die letzten Bagger abgerückt waren. Baden, Angeln und für die Kinder und Jugendlichen ein Abenteuer verheißender Spielplatz zogen magisch an. Anfang der 70er Jahre gab es sogar einen Versuch, im See Regenbogenforellen zu züchten. Die Fische gediehen im sauberen Wasser gut, aber durch die Herbststürme wurden regelmäßig so viele Netzkäfige zerstört, dass die Zucht wieder aufgegeben werden musste. Zum Glück, denn sonst wäre das Wasser längst nicht mehr so sauber. Noch Jahre danach konnte man im Kulkwitzer See Forellen angeln.

Das Dorf Kulkwitz, heute ein Ortsteil von Markranstädt, liegt etwa 3 km vom See entfernt. Seine Gemarkung reicht nicht bis an das Ufer. In Kulkwitz lag die Leitung für den Tagebau, außerdem die zugehörige Brikettfabrik und das Kraftwerk. Der Tagebau hieß nach dem Sitz der Leitung: Kulkwitzer Tagebau. Der Name hat sich dann auf den See übertragen. Besonders glücklich ist die Namenswahl nicht. Vor allem zu Beginn des Badebetriebes sind immer wieder Ortsfremde in Markranstädt aufgetaucht, die nach Kulkwitz wollten, nach ihrer Ausrüstung zu urteilen aber den entstehenden Tagebausee suchten. Die Markranstädter haben sie nicht selten grienend ins Dorf geschickt. Einen Badesee haben sie dort sicher nicht gefunden. Unsere Vorfahren waren weit fantasievoller als sie die Seen in Mecklenburg benannten. Meist erhielten sie ihre Namen nach typischen Besonderheiten, so dass der Name gleich typische Eigenschaften nannte.

Kulkwitzer SeeHochbetrieb in den 80ern.
Der See war zunächst starken Belastungen ausgesetzt: Die Markranstädter Zuckerfabrik entnahm Wasser und auch Abwasser gelangte auf der Markranstädter Seite hinein. Noch gefährlicher waren aber ausgewaschene Düngemittel von den Feldern. 1973 wurde dann der See als Naherholungsgebiet eröffnet. Seine Wahrzeichen sind die alte »Frieda«, ein alter Lastkahn, der zur Gaststätte umgebaut wurde und ein kleiner, in unmittelbarer Nähe stehender Leuchtturm. Weitere Anlagen kamen dazu. Als 1975 begonnen wurde, Grünau zu bauen, nahm mit den neuen Nachbarn auch der Badebetrieb weiter zu. Im gleichen Zug wurde es am Elster-Saale-Kanal, dem alten Badeeldorado, immer ruhiger. In den 80er Jahren erreichte der Badebetrieb seinen Höhepunkt: Über 300.000 Menschen suchten dann manchmal an seinen Ufern an heißen Sommertagen Abkühlung und Entspannung. Ausbau zum Naherholungsgebiet und Massenbetrieb blieben für Wasserqualität und die Natur nicht ohne Folgen. Seltenere Tier und Pflanzenarten, die sich zunächst angesiedelt hatten, verschwanden wieder.

BildRestaurant am Kulki: La Barca
Da trotz aller Appelle viele Badegäste ins Wasser urinierten und sich beim Baden teilweise auch ihrer festen Stoffwechselendprodukten entledigten und einige dies wohl immer noch tun, erhält der See einen ständigen Nährstoffstrom. Dazu kommen alle möglichen beim Baden abgewaschenen Sonnenschutz- und Hautpflegemittel. Aus der Luft mit dem Regen eingewaschene Stickstoffverbindungen (Hauptquelle sind der motorisierte Verkehr und die Landwirtschaft) und mit dem Grundwasser zufließende Düngemittel versorgen die Algen mit weiterer Nahrung.

Im Spätsommer sieht man diese Algenmastkur dem See auch an. Die Algen sterben im Herbst ab, sinken in die Tiefe und entziehen dem Tiefenwasser Sauerstoff, wenn sie von Bakterien zersetzt werden. Im Sommer ist das Wasser stabil geschichtet: Das warme Oberflächenwasser schwimmt auf kaltem Tiefenwasser und gelangt nicht nach unten. Dazu ist der See zu tief. Erst, wenn im Frühjahr und Herbst Oberflächen- und Tiefenwasser überall etwa 4°C haben, können Stürme den See richtig umwälzen und Sauerstoff gelangt wieder in die Tiefe. Der muss dann bis zum Herbst reichen. Leider gelangen dabei auch die im Sommer in der Tiefe abgelagerten Nährstoffe wieder nach oben. Geht der Sauerstoff im Sommer zur Neige, setzen im Tiefenwasser Fäulnisprozesse ein. Der dabei entstehende Schwefelwasserstoff verursacht nicht nur den typischen Geruch faulen Wassers, sondern er tötet auch die meisten Tiere und Pflanzen ab. In den 90er Jahren kam diese Schicht toten Wassers manchmal bis 10m an die Oberfläche heran. Die Badenden merken von alldem nichts, nur die Algen sollten warnen: So geht es nicht ewig weiter.

In den 70er und 80er Jahren haben sich am See zahlreiche Vereine angesiedelt: z.B. Angler, Segler, Eisschwimmer, Taucher, Windsurfer, Wakeboarder. Auch der Grünauer KOMM e.V. engagiert sich seit Jahren dafür, die Naherholungsmöglichkeiten am See zu verbessern und Natur und Wasserqualität zu erhalten. Um die kommunalen Aktivitäten und Pflichten im Naherholungsgebiet besser zu koordinieren, wurde Anfang der 90er Jahre ein Zweckverband von den Anliegerkommunen gegründet. Inzwischen sind durch Eingemeindungen nur noch Markranstädt und Leipzig übrig.

Inzwischen ist der See auf eine Fläche von 150 ha angewachsen. Er ist damit einer der kleineren Tagebauseen. Der Cospudener See ist annähernd 3 mal so groß und der Zwenkauer See wird mit knapp 1000 ha sogar reichlich die sechsfache Wasserfläche erreichen. Das Wasser steigt noch immer und bedroht die Halbinsel mit dem Dauercampingplatz auf der Ostseite. Vorläufig wird es abgepumpt, wenn es zu hoch hinaus will. Damit wird zugleich ein anderer Bergbauschaden repariert. Der von Göhrenz kommende und sich an der Ostseite entlangziehende Bach Zschampert erhält so wenigstens zeitweise wieder Wasser. Seine Quelle wurde vor über 100 Jahren vom Bergbau zerstört. Später wurde er vom Kraftwerk Kulkwitz mit Wasser versorgt. Dazu kamen ungeklärte Abwässer aus Göhrenz, Lausen und später auch Grünau. Nach dem Ende des Kraftwerkes lag der Bach dann Mitte der 90er Jahre völlig trocken. In Zukunft soll er mit einer Freispiegelleitung aus dem See versorgt werden. Dazu soll eine Rohrleitung Tiefenwasser aufnehmen und als künstliche Quelle in Miltitz in den Zschampert einleiten. Am See ist das nicht möglich, da dort das Bachbett etwas höher liegt als der Wasserspiegel des Sees.

BildAmsel. Foto: Elke Göbel
Der Cospudener See hat dem Kulkwitzer See Entlastung gebracht. Auch in der Landwirtschaft wird etwas verantwortungsbewusster mit Düngemitteln umgegangen. Einige wilde Strände, an denen es keine Toiletten gab, sind verschwunden. Das alles hat dazu beigetragen, dass der Druck auf den See nachgelassen hat. In den nächsten Jahren wird es durch das wachsende Durchschnittsalter der Grünauer und die wachsende Zahl der Bademöglichkeiten an anderen Seen zu einer weiteren Entlastung kommen. Es besteht damit die Chance, dass die Zahl der Badegäste ohne unpopuläre Maßnahmen so weit zurückgeht, dass der See mit den wohl unvermeidlichen Verschmutzungen allein fertig wird und das Wasser die gute Qualität, die es trotz aller Belastungen dank seiner Tiefe immer noch hat, noch Jahrhunderte behält. Unterstützt werden könnte das, wenn die Ausbreitung von Schilfgürteln gefördert würde. Schilf entzieht dem Wasser Nährstoffe, reinigt es und bietet vor allem Wasservögeln Nistmöglichkeiten. Eingestellt werden sollte das Füttern der Vögel: Was die fressen, verlässt sie schließlich wieder. An den Futterplätzen ist der Boden im Wasser kräftig zugeschissen, teilweise wird dort trotzdem gebadet…

Nicht gut für den See ist auch der Dauercampingplatz. Der Weg zum See durch den Boden ist zu kurz, so dass verschmutztes Wasser, auch Spuren von Kraftstoffen und Öl nicht ausreichend vom Boden abgefiltert werden können, bevor sie den See erreichen werden. Der Campingplatz auf der Halbinsel sollte daher mittelfristig geschlossen werden. Es gibt etwas weiter vom Wasser entfernt ausreichend geeignete Plätze, auf denen Camper die Wasserqualität im See nicht beeinträchtigen.

Spätestens hier wird deutlich, dass es einen Konflikt gibt zwischen den kurzfristigen Interessen der Geschäftsleute, die am See aktiv sind und dem Erhalt der Wasserqualität. Sehr viele Gäste sind gut fürs Geschäft, aber nicht für das Wasser. Bis etwa Mitte der 90er Jahre haben die Einnahmen aus dem Freizeitgeschäft am See die Ausgaben für laufende Pflege, Abfallbeseitigung und Reparaturen gedeckt. Durch die rücklaufenden Besucherzahlen muss die Stadt seitdem in wachsendem Umfang zuzahlen. Außerdem werden die Möglichkeiten eingeschränkt, einen Teil der Arbeiten kostengünstig von ABM-Kräften erledigen zu lassen. Der daraus resultierende Kostendruck war wohl auch der Hauptgrund, dass der Zweckverband, dessen Mitglieder die beiden Anliegerkommunen Leipzig und Markranstädt sind, die Bewirtschaftung des Sees auf ein privates Unternehmen übertragen hat, das schon den Cospudener See bewirtschaftet.

Link Das versucht nun, durch neue Attraktionen und besseres Marketing wieder mehr zahlungskräftige Gäste an den See zu bekommen. Anwohner, die am See spazieren gehen oder baden und am See wenig ausgeben, sind da zweite Wahl. Es wird auch an den Grünauer und Markranstädter Bürgern hängen, den See vorwiegend als ihr Naherholungsgebiet zu erhalten und noch für viele Generationen die Wasserqualität zu erhalten.
Dr. Leonhard Kasek

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