Grün-As

Zingster Straße und kein Ende

Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte man die Mieter des Elfgeschossers Zingster Straße glatt beneiden können. Mit niedrigen Mieten und etlichen Vergünstigungen lockte der damalige Eigentümer (NEUTECTA) neue Bewohner ins Haus - mit frischen Sonntagsbrötchen etwa, einem am Jahresende ausgezahlten Treuebonus oder Reparaturgutscheinen. Der Clou war aber sicherlich eine Reise nach Mallorca bei Vertragsabschluss für ein Jahr. Die Werbestrategie fruchtete und der Elfer am Rande Grünaus war voller als viele seiner Artgenossen im Stadtteil. Andere Wohnungsunternehmen mussten sich gar fragen lassen, warum sie nicht dieselbe Taktik fahren, um den Leerstand zu minimieren.

Schaut man sich die bald darauf einsetzende Entwicklung an, erübrigt sich diese Frage zwar. Doch die die individuelle Anwerbung war zunächst innovativ und traf den Nerv der Spar- und Schnäppchenmentalität der heutigen Zeit. Das ist allerdings lange her. Heute würde sicher keiner mehr auf die Idee kommen, die Mieter der Zingster Straße 12 bis 30 zu beneiden - still gelegte Fahrstühle, drohende Unterbrechung der Wärmezufuhr im Winter, kein Trinkwasser im Sommer, Zwangsverwaltung... Die Bewohner suchten entweder das Weite oder kamen in den vergangenen eineinhalb Jahren kaum zur Ruhe. Am 18. August steht nun die Versteigerung des Objektes an. Droht gar das letzte Kapitel des Hauses am Rande Grünaus?

Bild Auch wenn dem nicht so ist und dem unsanierten Elfer eine positive Zukunft ins Haus stehen sollte, lohnt es einen Blick auf die Anfänge: Errichtet wurde der u-förmige Plattenbau vor 24 Jahren. Stolzer Besitzer des dreizehneinhalb Tausend Quadratmeter großen Areals war damals die Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft Transport - heute nur noch Wohnungsgenossenschaft kurz WOGETRA. Dass sich zu DDR-Zeiten die meisten Menschen glücklich schätzen durften, in eine der 429 Wohneinheiten ziehen zu können, sei hier nur am Rande erwähnt. Zur politischen Wende mit all ihren negativen Begleiterscheinungen für den Stadtteil waren es noch fünf Jahre. Danach schwanden die Einwohnerzahlen und es herrschte Leerstand allerorten - auch im WK 8.

Der daraufhin zur Rettung Grünaus im Jahr 2000 entworfene Stadtentwicklungsplan (STEP) sah den Bereich rund um den Elfgeschosser, Zingster Straße zum Umstrukturieren vor. Die Planer hätten es sicher gern gesehen, wenn die mächtige Platte - gleich ihren Pendants in der Brackestraße gefallen wäre, aber so weit sollte es nicht kommen. Denn die WOGETRA, die zwar ihren Bestand zugunsten der Stadtteilzentrumsnahen Objekte im WK 8 aufgab, wollte sie trotzdem partout nicht abbrechen und verkaufte das »U« 2001 kurzerhand an die NEUTECTA Verwaltungsgesellschaft.

Der Abriss war abgewendet und die Bewohner hocherfreut. Denn abgesehen vom Umzug, der ihnen erspart blieb, profitierten sie fortan von den bereits zu Beginn beschriebenen Vergünstigungen. Noch Ende 2003 verteilte die NEUTECTA 40.000 Euro an ihre Mieter - der Treuebonus für pünktlich gezahlte Miete. Gut ein Jahr später - genauer gesagt im März 2005 wechselte die Immobilie erneut ihren Besitzer. Neuer Eigentümer wurde die Firma Janssen & Helbing GmbH, die zunächst die Taktik ihrer Vorgänger übernahm und sich dementsprechend und der Jahreszeit angepasst bei ihren Mietern mit einem kleinen Osternest vorstellten.

Sie versprachen alles so zu machen, wie es die NEUTACTA begonnen hatte - sprich Treuebonus, kostenlose Sonntagsbrötchen etc. Die Verwaltung hatte die HABITAT Objektverwaltungsgesellschaft übernommen, von der gemunkelt wurde, es sei ein Nachfolge-, beziehungsweise Tochterunternehmen der NEUTECTA. Trotz wiederholter Nachfrage unsererseits ist dieses Gerücht von HABITAT weder bestätigt noch negiert worden. Den Hausbewohnern war es egal. Ihnen sollte es weiterhin an nichts fehlen. Vorerst. Denn kurze Zeit später war Schluss mit lustig.

Im Januar 2007 drohte die Warmwasserunterbrechung wegen nicht gezahlter Rechnung, kurze Zeit später stand aufgrund gleicher Problematik der Fahrstuhl still, im Juli folgte der vorerst letzte Schreck für die arg gebeutelten Mieter, die schon lange keine Rückzahlungen oder Reparaturgutscheine gesehen hatten: Der Elfgeschosser wurde per Gerichtsbeschluss in Zwangsverwaltung übergeben, nachdem nun auch noch hohe Verbindlichkeiten beim Wasserversorger zu Buche standen. Freiwillig gaben Janssen & Helbing ihr Eigentum sicher nicht her, denn bei Übernahme versprachen sie einst vollmundig: »Wir möchten das Objekt für längere Zeit im eigenen Bestand halten. Ein Verkauf der Anlage beziehungsweise einzelner Wohnungen ist nicht vorgesehen...«

Säumige 6 Millionen Euro - angehäuft zwischen dem 1.1. und dem 31.12. 2006 - machten die Übertragung an den Gläubiger (die Delta Lloyd Lebensversicherung Aktiengesellschaft) allerdings mehr als notwendig. Zu erklären, wie die Delta Lloyd AG in dieses Gefüge passt, würde den Rahmen sprengen. Zwangsverwaltet haben das Haus jedoch seit nunmehr einem Jahr die Rechtsanwälte Hauser & Hawelka. Bei denen gab es weder Brötchen, noch Rabatte und erst Recht keine Auskünfte gegenüber der Presse. Doch auch diese Epoche ist ab dem 18. August vorbei. Und die schier endlose Geschichte findet ihre Fortsetzung...

Klaudia Naceur>
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