Grün-As

Trostloser Frühling zwischen grauem Beton

Offener Brief an ein Wohnungsunternehmen

Sehr geehrte Damen und Herrn,
sehen Sie sich bitte mal den derzeitigen Zustand der »Hausgärten« im Innenhof Zingster Str. 1-31 an - 4-6 Wochen vor Beginn der Blüte von Forsythien. Da wird in diesem Frühjahr nichts blühen. Beim Anblick der übriggelassenen Strauchstümpfe müssten jedem halbwegs naturverbundenen Menschen die Tränen kommen.

Da wohnt man nun schon - aus welchen Gründen auch immer noch - in einem extrem hochverdichteten Wohngebiet, in dem jetzt endlich nach mehr als 15 Jahren die Vegetation trotz der eigentlich unwirklichen, kargen Böden das Bild des Wohnumfeldes entscheidend mit prägt, dann werden »den Empfehlungen der Genossenschafter« folgend - Maßnahmen am vorhandenen Strauchbestand der Außenanlage des Objektes durchgeführt…, insbesondere mit dem Ziel, Beeinträchtigungen von Wohnungen auszuschließen (siehe Hausmitteilung der WG). Zuwachsen soll verhindert, durch das Wegfallen von Schnittarbeiten sollen Betriebskosten gesenkt werden.

Nur weiter so. Ich schlage vor: Betonieren!

Dann fallen jegliche Gartenpflegearbeiten weg (wobei das alles mit Pflege sowieso nichts mehr zu tun hatte, sondern bisher lediglich Strauchbestandswahrung war bei Beseitigung sämtlicher anderer Vegetation - seien es Unkräuter oder mehrjährige Blüh- oder andere Pflanzen) und bei der Hausordnung wird kurz mal drübergefegt.

Natürlich schlagen die Stümpfe wieder aus. Glücklicherweise nimmt die Natur so etwas nicht gleich ganz übel (wobei es Beispiele gibt, dass langfristig nicht jedes Gewächs so eine Tortour übersteht), aber zum Friseur geht man ja auch nicht nur ein Mal im Jahr, um sich eine Glatze schneiden zu lassen (schließlich wachsen ja Haare wieder nach).

Pflanzen erfordern nun mal Pflege, große Sträucher müssen verschnitten werden, damit Fenster und Wege nicht zuwachsen, und das kostet halt auch etwas, wenn schon keiner bereit ist, selbst einen gewissen Teil der Pflege zu übernehmen. Im Leben und beim Wohnen spielen ja wohl aber auch noch andere Gründe als nur Kostenminimierung eine Rolle (hoffe ich jedenfalls).

Andererseits halten sich ja offensichtlich die Proteste gegen hohe Müllgebühren in Grenzen, sonst wäre da sicherlich schon längst was passiert. Und wie vielen Bürgern ist Mülltrennung ein Fremdwort - da wandern riesige Papierbündel und Kartons sowie ganze Beutel voll mit Flaschen in die Müllcontainer.

Wer also mal sehen möchte, wie hässlich Beton aussieht (manch einer hat das angesichts vieler sanierter Gebäude vielleicht schon vergessen), dem empfehle ich unseren Innenhof. Jetzt rücken die nackten unteren Bereiche der Blöcke mit den Kellerfenstern so richtig schön ins Blickfeld. Da kommt Frühlingsstimmung auf!

Leider ist der Aufschrei der Bewohner nur ein stummer (aber er ist da, wie sich in Gesprächen mit Mitbewohnern zeigt), jedoch bisherige Erfahrungen mit der Thema Garten-/Grünpflege lassen wohl viele Leute resignieren. Die Ohnmacht stimmt traurig, macht wütend, auf jeden Fall aber unzufrieden.
Mit freundlichen Grüßen

Evelin Müller
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