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Ein Elektriker sucht seine Zukunft in der Sonne

ImageLink Kennengelernt habe ich den Elekromeister Martin Triller im Unterricht bei der Handwerkskammer. Ich habe als Dozent versucht zu erklären, wie man Solaranlagen erfolgreicher verkaufen kann. Keine leichte Sache, denn Dank üppiger staatlicher Förderung rechnen sich die Anlagen inzwischen, gleich ob sie Strom oder warmes Wasser liefern. Ihnen stehen also kaum noch begründete Argumente sondern Vorurteile entgegen. Die zu überwinden ist schwer. Triller hat mir meine Aufgabe nicht leichter gemacht: im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern war er auch Abends nach einem langen Arbeitstag hellwach und stellte viele kritische Fragen. Hier war ein Handwerker aus Leidenschaft.

Bild Sein Lebensweg ähnelt dem vieler anderer nach dem Kollaps der DDR. Nach Lehre und Armee war sein Meister gestorben, die Werkstatt aufgelöst und Triller war zu DDR-Zeiten für 3 Wochen arbeitslos. Auf der Suche nach einer neuen Arbeit bei einem Elektromeister half er im Kreisbetrieb für Landtechnik in Dölzig aus. Aus den geplanten 4 Wochen sind 20 Jahre geworden. Die hat er genutzt, um sich beruflich fortzubilden. Der Elektromeisterabschluß war ein Ergebnis. Vorteilhaft waren auch Arbeitsanforderungen und Bedingungen: von Elektroinstallationen in Gebäuden, über Elektrozäune bis zu Maschinen und Fahrzeugen war alles dabei. Oft unter schwierigsten Bedingungen, bei Wind und Wetter draußen, ohne ausreichend Ersatzteile und gutes Werkzeug. Das war eine harte Schule. Meister Triller erwarb sich dabei einen Ruf als exzellenter Fachmann. Das war sein wichtigstes Startkapital als er nach dem Ende der DDR seine Arbeit verlor. Er besann sich auf seinen Meisterbrief und machte sich selbständig.

Doch wie gewinnt man als frischgebackener selbständiger Handwerksmeister Kunden? Triller hat zunächst vorwiegend mit Heizungsinstallateuren zusammengearbeitet und vom Bauboom profitiert. Zugute kam ihm auch sein guter Ruf als Mann der Qualität. Alte Bekannte und frühere Kollegen engagierten ihn. Stolz erzählte er, dass einmal, als ein Bauträger ihn zu einem Honrar engagieren wollte, für das er nicht einmal gutes Material hätte kaufen können, ein Häuslebauer zu ihm sagte: Die Elektroinstallationen übernehmen Sie, die Kosten übernehme ich.

Überhaupt die Bauträger: Hier gibt es nicht nur einzelne schwarze Schafe, sondern ganze Herden. Erbarmungslos werden die Preise gedrückt, um sich die Taschen zu füllen. Das geht zwangsläufig zu Lasten der Qualität. Die Bauherren bekommen das zu spüren: kaum eingezogen beginnt eine lange Kette von Pannen und Reparaturen. Wer billig baut, baut zweimal, sagt Triller. Er setzt auf Qualität, und die hat ihren Preis. »Ich bekomme die meisten Aufträge über zufriedene Kunden, die mich ihren Bekannten weiterempfehlen. Mache ich den Run auf Niedrigstpreise mit, verliere ich meinen wichtigsten Vorteil: Qualität.«

Trotz aller Preisdrückerei sind viele Bauträger und auch Bauherren sehr säumige Zahler. Viele kalkulieren zu knapp. Das Geld reicht dann nicht für die letzte Rate. Es beginnt ein manchmal endloser Streit. Kleine Mängel werden zum Anlaß genommen, nicht zu zahlen, und wo die Mängel fehlen, muß die Phantasie ran. Diese Zahlungsmoral bringt Triller regelmäßig in Existenzgefahr. 25000 DM hat er allein bei einem Bauträger verloren. Statt der Zahlung kam die Mitteilung über den betrügerischen Bankrott. Die Geschäftsführer waren mit dem Geld der Bauherren irgendwo im Ausland untergetaucht.

Im Ergebnis reichen Trillers Einnahmen in manchem Monat gerade aus, seinen Gesellen, die Kreditrate und die fälligen Steuern, Abgaben, Versicherungen und ähnliches zu bezahlen. Seinen Lebensunterhalt muß dann seine Frau mitbestreiten. Meister Triller ärgert sich maßlos, wenn Handwerker von den Nachbarn neidvoll gemieden werden, weil sie angeblich schwer verdienten, und sich um ihren Arbeitsplatz keine Sorgen zu machen brauchten. Um solche vermeintlich neureichen Nachbarn nicht zu unterstützen, suchen sie sich ihre Handwerker vorwiegend aus weiter entfernten Orten. Nur zu Weihnachten, wenn die Familie zusammensitzt, feiern will, und plötzlich der Fernseher ausfällt oder die elektrische Weihnachtsbaumbeleuchtung nicht mehr will, dann kommen sie, lächelt Triller bitter. So ist er vorwiegend in Dölzig und Umgebung aktiv, sein Kollege aus Dölzig dagegen in Frankenheim vor Trillers Haustür.

Von den Arbeitskosten ohne Material taucht weniger als ein Drittel bei Triller und seinem Gesellen als Nettolohn auf. Der Rest sind Steuern, Abgaben, Mitgliedsbeiträge, Versicherungsprämien…
Diese geradezu irrwitzige Bürde ist die Hauptursache dafür, dass sich viele klassische Handwerkerarbeiten nicht mehr lohnen, zum Beispiel Reparaturen oder der Bau von kleinen Geräten, maßgenau in hoher Qualität für den Kunden. Für die Umwelt wäre das ein Segen: Handwerkerarbeit statt Wegwerfen und Neukaufen von Geräten würde zu einer enormen Einsparung von Rohstoffen und Energie führen. Damit das Wirklichkeit wird, müßten aber die sogenannten Lohnnebenkosten dramatisch gesenkt werden. Lohnsteuern wurden übrigens zuerst im ersten Weltkrieg eingeführt, um den Krieg zu bezahlen. Aus der einstigen Not wurde die wichtigste Steuer, die die Arbeitskosten in solche Höhen trieb, dass immer Anreize geschaffen wurden, teure Arbeitskräfte durch Maschinen zu ersetzen. Diese Entwicklung richtete und richtet sich besonders auch gegen das Handwerk, fördert Arbeitslosigkeit und kurbelt die Umweltzerstörung an.

Meister Triller bildet auch aus, oder besser er versucht es zumindest. Voriges Jahr hat er keinen Lehrling gefunden. Der einzige Interessent ist schnell wieder abgesprungen, als er merkte, dass er auch einiges an Mathematik und Physik lernen sollte. Für dieses Jahr hat ihm das Arbeitsamt einen Lehrling zugewiesen. Vorher hatte Triller wochenlang einen Aushang in der Markranstädter Schule: Suche Lehrling. Ein einziger hatte sich beworben. Ein Einzelfall ist das leider nicht. Auch andere ausbildungswillige Unternehmen klagen über Mangel an Interessenten in klassischen gewerblichen Berufen, obwohl nach wie vor viele Jugendliche keinen betrieblichen Ausbildungsplatz haben. Es fällt mir schwer, das zu begreifen. Gerade in der Elektrobranche sagen Experten für die nächsten Jahre einen Fachkräftemangel voraus. Wer heute Elektriker lernt, dürfte damit beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben.

Zur Sonne ist Triller über seine Kooperation mit Heizungsinstallateuren gekommen. Zusammen mit einer Miltitzer Firma hat er in Holzhausen seine erste Solaranlage zur Warmwasserbereitung gebaut. Schnell hat der allem neuen gegenüber aufgeschlossene Handwerker verstanden, dass hier für ihn und seines gleichen eine Riesenchance lauert, wenn die Bewohner unserer Region ihre Vorurteile ablegen und kühl rechnen würden. Für ihn wäre das eine Chance, dem Rückgang der Aufträge aus dem Wohnhausneubau bzw. der Sanierung mit einem neuen Geschäftsfeld zu kompensieren.

ImageLink Seine erste Photovoltaikanlage wird Triller auf seinem eigenen Dach bauen, als Referenz für künftige Kunden. Zusammen mit dem Solarberater Felgentreff aus Miltitz versucht er auch, Mieter zu gewinnen auf den Dächern der Häuser, in denen sie wohnen, eigene Anlagen zu betreiben. Ideal wären die Flachdächer in Grünau: dort liesen sich die Anlagen viel leichter und damit preiswerter errichten und sie könnten unabhängig von Dachneigung und -ausrichtung stets optimal zur Sonne orientiert werden, so dass sie mehr Strom liefern als auf schrägen Dächern. Zu wünschen wäre, dass die großen Vermieter in Grünau dafür geeignete Flachdächer Interessenten kostenlos zur Verfügung stellen. Wer künftig in Frankenheim durch die Dölziger Straße fährt, kann auf dem Dach von Elektromeister Triller vielleicht schon ab Herbst eine Solaranlage zur Stromerzeugung anschauen.

Dr. Leonhard Kasek
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