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Oberbürgermeisterwahl 2006

Dringend gesucht: Leipzigs Kopf

Es ist noch gar nicht so lange her, da flogen Wolfgang Tiefensee die Herzen der Leipziger nur so zu. Knapp 70 Prozent der Messestädter wählten im Mai vergangenen Jahres ihren alten zum gleichsam neuen Oberbürgermeister. Seine Worte: »Mein Platz ist in Leipzig« sind legendär. Mit diesem Bekenntnis nämlich, lehnte er seine Beteiligung an der Sächsischen Landesregierung ab. Dafür liebten ihn die Leipziger - und krönten ihn.

Nun ist Wolfgang Tiefensees Platz nicht mehr im beschaulichen Leipzig. Sei es nun, weil er gleich den großen Coup landen wollte und ihm Weg über die sächsische Regierung zu beschwerlich war, oder aber ihm das Pflaster der Messestadt nach diversen Skandälchen und Skandalen einfach zu heiß wurde. Tiefensees Platz ist jetzt in der Hauptstadt.

Er hinterließ ein kaum zu überbietendes Chaos an Baustellen, ein Finanzloch ohne Gleichen und ein nahezu kopfloses Rathaus. Bei seinem Weg- oder Abgang nahm er denn gleich noch einen der wenigen Beigeordneten mit, die eine weiße Weste vorweisen konnten: Engelbert Lütke Daldrup (von Leipzigern gern mit dem Namen Sprengtrupp beliehen) verdingt sich also weiterhin an der Seite seines Förderers, während sich ein anderes Ziehkind Tiefensees anschickt, in die großen Stapfen seines Vorgängers zu treten.

Der gebürtige Westfale Burkhard Jung macht seinem Namen alle Ehre. Denn wer den »Sozi« einmal erlebt hat, dürfte fasziniert sein von dessen jungenhafter Art und seinem natürlichen Charisma. Allerdings hatte das Wolfgang Tiefensee einst vor seiner Funktion als Oberbürgermeister auch.

Trotzdem dürfte Jung davon profitieren, wie auch vom Umstand, dass er den Leipzigern besser bekannt sein dürfte als sein Gegenspieler aus der CDU, Uwe Albrecht, der nicht nur konservativ aussieht, sondern vermutlich auch ist. Bislang saß der Christdemokrat im sächsischen Parlament und plakatiert nun in seiner Geburtsstadt mit einem Spruch, der an Tiefensees einstiges Bekenntnis erinnert: »100% für Leipzig!«

Nicht außer Acht lassen sollte man die treue Wählerschaft von Dr. Dietmar Pellmann, der für Die Linke PDS antritt. Einige der für Albrecht wichtigen Stimmen, dürfte Pellmann mit seiner Kandidatur binden. Wer das Rennen auch macht, er wird es schwer haben. Denn die Stadt ist eigentlich mehr Schein als Sein. Leipzig ist Sachsens Spitze, nur leider an der falschen Stellen. Die höchste Arbeitslosigkeit gibt es in Leipzig, die meisten armen Kinder, fand eine Armutsstudie unlängst heraus, gibt es ebenfalls in Leipzig. Prestigeprojekte, wie die Olympiabewerbung oder die Ansiedlung mehrer großer Gewerbe haben der Stadt zwar Auftrieb gegeben und ihren Bewohnern ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein verliehen. Aber Größenwahn und Realitätsverlust haben ihr letztlich nicht gut getan.

Die Stadt wird ob ihrer Schönheit und Geschichte bewundert, aber nicht selten auch belächelt. Leipzigs neuer Kopf, den wir alle aufgefordert sind am 5. Februar zu wählen, wäre gut darin beraten, ein wenig tiefer zu stapeln und sich der wirklichen Probleme anzunehmen.
Klaudia Naceur

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