Grün-As

Grünaus »Route 66«

Quartiersbuslinie Grünolino seit 19. März auf Kurs durch den gesamten Stadtteil

Ob die Initiatoren bei der Vergabe der Liniennummer an Amerikas bekannteste Fernstraße gedacht haben, ist nicht gewiss. Egal: Hinter der Buslinie 66 mit Ziel »Allee-Center« steckt der kleine, aber feine Grünolino. Ab sofort werden 27 Grünauer Haltestellen auf einem 15 Kilometer langen Rundkurs bedient. Im Stundentakt und entgegen dem Uhrzeigersinn, nicht aber spätabends und am Sonntag. Ein bisher einzigartiges Projekt, dessen Erfolg sich vor allen an den Fahrgastzahlen messen lassen muss.

Wir schreiben den 19.3.2011. Es ist ein Samstag, an dem Martin Malzahn mit der Sonne um die Wette strahlt. »Schauen Sie sich die vielen Menschen an«, sagt er früh gegen 8.30 Uhr am südlichen Eingang des Allee- Centers. Tatsächlich haben sich etliche Grünauer neugierig um einen eigentlich recht normalen kleineren Linienbus der Leipziger Verkehrbetriebe (LVB) eingefunden. Der ist aber nicht irgendein Verkehrsmittel, sondern neben vielen herben Einschnitten ein Lichtblick in Grünaus Infrastruktur. Zwei Straßenbahnen gekürzt, die S-Bahn bald für zweieinhalb Jahre weg - der Quartiersbus Grünolino kommt gerade recht.

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Grünolino: Initiatoren und Sponsoren

Der unverkennbar stolze Malzahn ist mit seinem Club der Nachdenklichen der geistige Vater des Projekts, hat beharrlich für die Umsetzung gekämpft. Dafür bedurfte es vieler Mitstreiter: Gestemmt wird die Finanzierung im Wesentlichen von Sponsoren, die im Viertel besonders aktiv sind und zusammen 120.000 Euro in einen zweijährigen Betrieb der Linie investieren: Viele Vermieter sind dabei, allen voran Hauptsponsor Gutburg, dazu die Sparkasse und Händler wie das Allee- Center und das Gesundheitszentrum in der Selliner Straße. Weil die kleinteilige Erschließung Grünaus nicht zu den LVB- Pflichtaufgaben zählt, waren private Gelder die zwingende Startvoraussetzung. Dennoch haben sich die Verkehrsbetriebe gut auf den Linienstart vorbereitet. An allen 30 Haltestellen hängen grüne und weiße Luftballons, die Informationsbroschüren gehen im und vor dem Allee-Center weg wie warme Semmeln.

LVB-Geschäftsführer Ulf Middelberg ist live dabei, lässt an die Sponsoren grüne Tauf-Limonade verteilen und setzt so den neuen Bus kurz vor dessen erster fahrplanmäßiger Runde gekonnt in Szene: »So nah wie mit dem Grünolino können wir mit unseren großen Bussen gar nicht zu Ihnen kommen!« Er verbindet es mit einem Aufruf, der ganz wichtig für die Zukunft des 66ers werden wird: »Heute ist der Bus kostenlos - aber bitte nutzen Sie ihn auch darüber hinaus.« Und eben weil die Jungfernfahrt gratis ist, ist der Grünolino schon proppevoll, noch bevor er kurz vor 9 Uhr zu seiner Starthaltestelle an der anderen Seite des Einkaufszentrums aufbricht. Middelbergs Appell ist indes nicht unbegründet. Denn während schlecht ausgelastete Nachtfahrten bei »normalen« LVB-Buslinien durch Ausgleichszahlungen abgesichert sind, hängt der Grünolino-Betrieb ganz wesentlich von den Fahrgastzahlen ab. Für den Quartiersbus könnten da die anderen Einschnitte sogar von Vorteil sein, wenn die Grünauer ihn nicht nur als Ergänzung, sondern auch als Ersatz wahrnehmen.

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Grünolino: Bus 66

Dass mit Aussetzung der S-Bahn ein zweiter, vom Zweckverband finanzierter Bus auf die »Route 66« geht und damit einen 30-Minuten-Takt herstellt, kann ebenfalls nur von Vorteil sein. Bisherige Pluspunkte sind das große Interesse zum Start, die völlig neuartige Linienführung (»Grün-As« berichtete) und die Anbindung an andere Busse und Bahnen. Denn irgendwo auf seiner Runde kreuzt der Grünolino jede andere Grünauer LVB-Linie, egal ob gekürzt oder nicht. Es lohnt daher, den Grünolino als Umsteigeverbindung anzupreisen. Aber es gibt auch Schwachstellen. Der Bus ist durch die Nebenstraßen unterwegs, dazu nur in eine Richtung. Wer wirklich auf ihn angewiesen ist, muss also Zeit mitbringen: langsameres Reisen, längeres Warten auf den nächsten Bus, dann zwangsläufig die große Runde drehen. Wer mit Einzelfahrscheinen unterwegs ist, wird vielleicht einen zweiten brauchen. Das größte Problem aber ist, dass kaum vorhersagbar ist, wie gut der Bus angenommen wird. Denn die Ergebnisse aus einer LVB-Vorab-Umfrage waren zwar positiv, der Rücklauf jedoch nicht besonders groß.

Grund genug für »Grün-As«, am ersten kostenpflichtigen Betriebstag einmal inkognito an Bord zu gehen. Das Ergebnis aus einer halbstündigen Mitfahrt ist zwar nicht repräsentativ, lässt aber trotzdem hoffen: Während der gesamten Reisedauer war der Bus gut ausgelastet, teilweise reichten die Sitzplätze nicht aus. In der Plovdiver Straße musste der Bus als Fotomotiv herhalten, in Nebenstraßen erntete er interessierte Blicke. Auch wenn etliche Fahrgäste (ähnlich wie »Grün-As«) deutlich als neugierige Rundendreher erkennbar waren, gab es gerade an vielen neuen Haltestellen einige Ein- und Aussteiger. In der Selliner Straße war sogar Info-Personal des Sponsors mit Warnweste im Einsatz. Beinahe wäre es just dort eng geworden im Bus, aber eine Rollstuhlfahrerin verließ den Grünolino sehr zur Freude einer einsteigenden Mutter mit Kinderwagen. Denjenigen, die sich gerne auf Linie 66 verlassen möchten, sei abschließend gesagt: Der Bus war pünktlich unterwegs.

Reinhard Franke
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