Grün-As
Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Mordshunger

Eine Mord- und Heimatgeschichte des Grünauer Autors Jürgen Leidert
Teil 26

Eine Stunde hatten wir den Herren nacheinander berichtet. Der Beamte schrieb in seinem Notizblock seine Aufzeichnungen zu unseren Aussagen. Ich erinnerte mich dabei an die Nacht vor Ostern, als ich einen Handwagen oder Rollfix rattern hörte, obwohl es nun lange zurücklag.

Die Herren verabschiedeten sich nach den Anhörungen von uns sehr freundlich. Der Beamte sagte: »Eventuell müssen wir noch von euren Schuhen und Händen Abdrücke nehmen, damit wir euch alle ausschließen können, schließlich habt ihr ja mit dem Delikt nichts zu tun. Wenn ein Verbrechen zugrunde liegt, müssen wir herausfinden, wer und was dahinter steckt.«

Mittlerweile war man auch mit den Untersuchungen in den Ellern fast fertig, das Territorium blieb abgesperrt. Ein Arzt, Pathologe der Rechtsmedizin aus Leipzig, war noch an den Fundort gebracht worden, der eine Leichenschau durchführte und registrierte, dass der Tote nahezu drei Wochen hier im Erlenwald begraben lag. Zu den Umständen des Todes des jungen Burschen muss er in die Rechtsmedizin zur Diagnose gebracht werden. Am späten Abend, es war schon dunkel geworden, wurde der Leichnam abgeholt.

KAPITEL VIII

Die Gerüchteküche in Frankenheim war durch die Auffindung des Toten Olaf Stannebein hochgekocht. Eine Variante war, die eingerückten Amerikaner haben ihn erschossen, ihn für einen Angehörigen des letzten Aufgebots gehalten. Andere meinten wiederum, die Brüder waren ja lange nicht im Dorf, vielleicht ist der eine Bruder bei einem Unfall umgekommen oder man hat ihn bei einem Raubüberfall erwischt und erschlagen. Jeder Tag, der verging, ohne dass der Fall offiziell aufgeklärt war, gebar neue Vermutungen, die im Ort die Runde machten.

Anfang Mai wurde per Anschlag in einem Schaukasten an Mellers Milchhandlung durch das Polizeirevier Markranstädt etwas bekanntgegeben und es hieß unter anderem: »Die Gerichtsmedizin Leipzig hat die Untersuchungen abgeschlossen und uns Mitteilung erstattet, dass der gefundene und vergrabene Leichnam des Jugendlichen Olaf Stannebein an einer Pilzvergiftung verstorben ist. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Für den Bruder Axel Stannebein wurde auf der Basis einer freiwilligen Bereitschaftserklärung ein Vormund bestimmt und als Betreuer verpflichtet: Oskar Kautz, berufen und eingetragen beim Amtsgericht Markranstädt.«

So wurden die immer neuen Gerüchte unterbunden. Das Wattel wurde tags darauf mit dem Kautzbauer zur Polizei bestellt und verhört. Zwei Beamte nahmen Axel und Oskar in Empfang. Die Befragung nahm ein Beamter vor, etwa Mitte dreißig, schwarze gescheitelte Haare, lange Nase, schmale Lippen und kleine, dunkelbraune listige Augen.

Er begann: »Wir haben Sie heute zum Verhör vorgeladen. Ihr Vormund, Herr Oskar Kautz, Bauer und Ihr Nachbar ist mit anwesend. Herr Axel Stannebein, geboren am 2.6.1929, das sind sie?«

»Ja, der binsch.«

»Sie haben mit Ihrem Halbbruder bis zum Tod in dem Haus der Eltern, in Frankenheim, Dorfstraße 17 gewohnt?«

»Stimmt«, antwortet Axel.

»Soweit wir informiert sind, haben Sie nach Ostern ihren Bruder vermisst und ge - sucht! Wo wollten Sie ihn denn finden, warum hat er denn das Haus verlassen? Sie müssen uns wahrheitsgemäß Auskunft geben, sonst machen sie sich strafbar!«


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