Grün-As

Kunststücke in Grünau und überhaupt...

Von der Kunst, Kunst zu erklären

Andere wiederum - ich zähle mich zugegebenermaßen dazu - tun sich jedoch schwer mit der so genannten Moderne. Nicht, dass ich mich als Traditionalisten bezeichnen würde. Aber die meisten, dieser ganz verschiedenen Arten der künstlerischen Verwirklichung erschließen sich mir oft nicht. Vielleicht ein kleines Beispiel: Vor einem Jahr etwa beherbergte das Bildermuseum (nebenbei bemerkt ist dieses Gebäude für mich alles andere als ein Kunstwerk) eine Ausstellung mit Namen »40 Jahre Videokunst«. Dort konnte man sich unter anderem einen Film anschauen, der »Der Schrei« hieß. Ich erinnerte mich an Edvard Muncks gleichnamiges Gemälde, wurde neugierig, machte es mir in einem Sessel bequem, nahm die Fernbedienung zur Hand und sah einen Mann, der auf einem Berg stand und zehn Minuten lang »Hallo« rief - immer lauter und länger, bis er nicht mehr konnte.

»Hm«, dachte ich. Mit Geschicklichkeit hat das zwar nicht viel zu tun, aber die Vermarktung ist perfekt - je schriller, ausgefallener, schockierender, skandalöser, und geschmackloser heutzutage etwas ist, desto besser. Wer seine Kunst mit diesen Attributen schmücken kann, hält mittlerweile schon beinahe den Schlüssel zum Erfolg in Händen.

Okay, ganz so pauschal kann man das eigentlich auch nicht sagen. Denn wenn zwei das Gleiche tun, erfahren sie noch lange nicht denselben Zuspruch. Wenn Joseph Beuys beispielsweise ein Stück Butter an eine Leinwand wirft, das dann gekonnt nach unten matscht, ist das Kunst - wenn Jugendliche öffentliche Wände ebenso verschönern wollten, hieße das schlicht Vandalismus. Als sehr skurril und begehrt gelten auch Bilder von Tieren. Malende Schimpansen streichen neuerdings horrende Summen für ihre Farbkleckse ein. Da sie aber mit Geld nicht viel anfangen können, profitieren clevere Vermarkter von der Genialität ihrer Schützlinge. Wessen Portmonee ein wenig schmaler ist, sollte sich daher einmal in einer beliebigen Kinderkrippe umschauen. Dort gibt es ähnliche Gemälde - wahrlich junge Kunst.

Nicht mehr ganz so jung, aber immerhin noch Schüler sind die Künstler, die im April das Wartehäuschen an der Lausener Endstelle verzierten. Damit dürfte dies - abgesehen von täglich neuen Graffiti und Tags - das neueste Kunstwerk im öffentlichen Raum Grünau sein. Ja, vor allem Grünau-Kritiker können nun erstaunt zur Kenntnis nehmen, dass es in der architektonisch eher einfallslosen Großsiedlung jede Menge künstlerische Kleinode gibt.

Sogar mehr als in vielen anderen Stadtteilen Leipzigs. Den Grund dafür findet man in der überaus gerechten Planungsstrategie des DDR-Bauprogramms. In selbigem war nämlich festgeschrieben, dass für eine bestimmte Anzahl von Wohneinheiten eine gewisse Summe in den Kunst- und Kulturtopf des Bezirkes eingezahlt werden musste. Da in Grünau nun bekanntlich viele Wohnungen gebaut wurden, stolperte man dementsprechend auch alle Naselang über ein Kunstobjekt - vorrangig so genannte Kunst am Bau - auch Architektur bezogene Kunst genannt.

Viele namhafte Künstler aus dem hiesigen Raum konnten sich im größten Stadtteil Leipzigs verwirklichen. Andere, wie Blechbüchsen- und Pusteblumenbrunnendesigner Harry Müller rümpfen heute zwar beim Namen »Grünau« verächtlich die Nase und möchten ihre Kunstwerke überall wissen, nur nicht hier. Trotzdem stehen, hängen oder liegen die einst bestellten Werke größtenteils noch heute.

Einige Skulpturen, wie Theo Baldens »Mutter mit Kind« oder die im Volksmund »Schnürsenkel« genannte Plastik auf dem Marktplatz Stuttgarter Allee, sind so bekannt, dass man sie gar nicht mehr einzeln beleuchten müsste. Manche haben die Jahre jedoch nicht ganz so gut verkraftet, sind beschmiert und demoliert worden oder stehen ganz einfach versteckt in Innenhöfen oder öffentlichen Gebäuden und werden kaum mehr wahrgenommen.

Obwohl auch eher versteckt gelegen, zählt der Spielplatz »Don Quichotte« im WK 5.1 zu den bekanntesten und beliebtesten in Grünau. Spielplatz? Sie haben recht vernommen. Dieser birgt Kunst zum Anfassen und darauf Herumtollen und ist darüber hinaus auch noch sehr ansehnlich. Don Quichotte - ein Auftragswerk des Leipziger Bildhauers Rainer Strege fördert seither die Kletterfertigkeiten kleiner Grünauer und ist bestes Beispiel dafür, dass Kunst nicht nur etwas wert ist, wenn sie hoch versichert hinter dickem Glas zu bestaunen ist.

Klaudia Naceur
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