Grün-As
Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Kulturwüste Grünau?

Ein Schweizer Blick

»Mehr Literatur für die Platte!« - schrie zur Leipziger Buchmesse einer auf. Christian Schaub, einer, der sich für den Schweizer Rundfunk für ein kurzes Stündchen nach Grünau aufgemacht hatte, Kultur zu suchen: »Über 3000 Veranstaltungen stehen auf dem Programm von 'Leipzig liest', eine einzige davon fällt auf die Plattenbau-Siedlung. Versteckt im Hinterzimmer der kleinen Bibliothek Grünau-Mitte.«

Klar, Bibliothekarin Kristina Püschel hätte auch gern mehr. Aber Alma Lüscher hält dagegen: »Literatur sucht das Establishment. Jagt Leserzahlen. Sucht den roten Teppich. Sonnt sich in der Aufmerksamkeit der Literaturpreise.« Ach was. Scheint, als hätte die Landsfrau aus dem fernen Bern schneller begriffen, wie die Dinge bei einer Buch-Messe so laufen, als der tapfere Berichterstatter vor Ort.

Und Monika Schaub, Landsfrau aus Uster, mailt: »Hätte unserer Schweizer Literatur auch gut angestanden, Bücher in die Leipziger Platten zu bringen.« So kann's gehen, wenn man nicht gründlich hinsieht. Mit einem ambitionierten Artikel als gute Tat für den Tag ist dem Thema sicher nicht beizukommen.

Da rutschen dann im Beitrag auch noch Wörter durch wie »Platte«, »Subkultur«, »Ghetto«. Mit »Randgebiet« kann man ja noch leben. Wer wohnt denn da eigentlich, dass man sich solcher Vokabeln bedienen muss? »Frustrierte Arbeitslose.«»Kinderreiche.«»Alte.« - »Präkariat eben.« Blafft es mir auf Nachfrage entgegen.

Und das von einer im Job gereiften Kulturperle, die dem »Präkariat« offenbar strafversetzt vor die ungewaschenen Grünauer Füße geworfen wurde. »Hier wohnt man doch nicht. Hier schläft man höchstens. Und Kultur fragt hier bestimmt keiner nach.« Na so was. Ist der Guten da vielleicht etwas entgangen?

Grünau hat viele Kulturakteure

Dr. Evelin Müller ist im nächsten Jahr seit 20 Jahren Vorsitzende des KOMM-Vereins. Die engagierte 58-Jährige liebt ihren Stadtteil, in dem sie auch schon mehrmals umgezogen ist: »Grünau liegt mir am Herzen«, bekennt sie in einem LVZ-Interview. Immer im WK 8, den Kulkwitzer See vor Augen.

Genauso lange engagiert sich Uwe Walther im KOMM-Haus. Regelt die tägliche Logistik des beliebten Freizeittreffs, entwirft Ideen, organisiert Veranstaltungen, Kurse, Ausstellungen, kämpft gegen Rückschläge. Im letzten Sommer gelang unter seiner Hand das 20. Schönauer Parkfest.

Die Kantorin der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Grünau, Elke Bestehorn, haben wir Ihnen zuletzt anlässlich des 15-jährigen Bestehens der Konzertreihe »Klang - Stille - Raum« vorgestellt. Gerade probt sie mit begeisterten Freiwilligen das jährliche Singspiel zur Eröffnung des Grünauer Kultursommers.

Ruth Schlorke engagiert sich im Kreativzentrum Grünau. 20-Jähriges feierten sie letzten Sommer. Und sie hat die »Junifreunde« ins Leben gerufen. Ein Tanzfest, das nun schon eine ganze Tanzwoche dauert und unterschiedlichste Tanzstile auf eine Bühne bringt.

Zwischendurch hatten Bibliotheken Geburtstag. Setzt das Heizhaus viel beachtete Akzente. Versucht sich sogar Gutburg in Sachen Hausmusik. Kümmern sich AWO und Charitas um kleine und große Hilfen und setzen Highlights.

Wir haben Ihnen im »Grün-As« Grünauer Maler vorgestellt, engagierte Hobby-Künstler, Chöre, Schreibende und Fotografierende, Feldhasen Beobachtende, Zaubernde, Nähende und Posaunenbläser. Das wird bereichert von Vereinen, dem Theatrium, der Völle, dem Stadtteilladen, einem Kino ... Und inzwischen erblühen zarte grüne interkulturelle Blümchen.

Nicht zuletzt angelehnt an die seit 20 Jahren in Grünau aktive Volkshochschule unter Leitung von Dr. Sylvia Börner. Auch sie haben - bauchtanzend, manche werden sich an das Fest erinnern - im letzten Sommer Geburtstag gefeiert. Sollten wir als Grünauer wirklich übersehen, welches kulturelle Potential hier zu finden ist?

Klar, man muss sich auch auf die Suche begeben. Recherchieren, nachfragen, sich kümmern - h i n g e h e n. Die Angebote nutzen und sich selbst an welchen beteiligen. Auch, wenn bei der Bastelstraße zum verflixten Mal die immer gleichen Kids aufschlagen - laut, drängend, mit klassischer Rotznase. Auf die Straße zum Spielen geschickt. Oder beim Parkfest die Freibiersammler aus ihrem Hosenbund quellen.

Und beim Gesprächsabend über Grünauer Geschichten gerade mal zwei Personen anwesend sind - der Geschichtenerzähler und die Organisierende. Wenn sich all die vielen Genannten und Ungenannten nicht Tag für Tag und viele nun schon Jahr um Jahr so unermüdlich engagieren würden, dann wär es um unser Grünau wirklich schlecht bestellt.

So aber kann jeder Interessierte etwas Passendes für sich finden. Kann zuhören, schauen, mittun. Und am Gemeinsamen wachsen. Teil sein, derer, die sich ihrem Stadtteil bewusst verschrieben haben. Die in Grünau leben, auch der Menschen wegen. Um ein kulturvolles Miteinander bemüht.

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