Grün-As
Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser, letzte Woche traf ich mich mit einem älteren Grünauer Kunstmaler im Leipziger Bachstüb'l am Thomaskirchhof. Dort saßen neben mir auch diverse Schauspiellegenden, Kulturschaffende und Künstler. Viele davon sah ich Jahre zuvor im Zentralstadion beim FC Sachsen. Ich weiß nicht, ob diese Leute noch immer dorthin gehen, aber ich vermute es. Heute heißt das Stadion nach einem süßen Getränk, ähnlich wie der Markranstädter Verein, der im einstigen »Stadion der Einhunderttausend« in Kürze Europa empfangen will. Ohne mich. Denn man muss ja nicht alles mitmachen, was »In« ist.

Fußball schaue ich mir freilich dennoch gern an und fiebere darum weiterhin mit meinem Verein, zu dem ich seit 1969 gehe. Die Leutzscher haben nicht nur Tradition, sondern als Underdog auch Titel und Sympathien gewonnen – ohne Millionen geschenkt bekommen zu haben. Vor fast zehn Jahren in der 12. Liga neu gestartet, hat es die »BSG« ohne Fremdbestimmung und mit ganz kleinem Geld bis in die Regionalliga geschafft und darf sich kommende Saison mit Größen wie dem BFC und LOK messen. Am 29. Juli geht es übrigens gleich in die Vollen: Lokalderby!

Ja, ja Chemie. Früher firmierte der Verein noch als FC Sachsen. Gesponsert vom heutigen Besitzer des Zentralstadions. Ja, Sie haben richtig gelesen: Das Stadion ist längst noch nicht verkauft. Da wird noch hoch gepokert. In seiner besten Saison war die »BSG« mit einem Gesamtvereinsetat von vier Millionen Euro ausgestattet und hatte – ohne nennenswerte Unterstützung durch Politik und lokale Wirtschaft – genauso wie auch der VfB Leipzig nie wirklich eine Chance, sich mit diesen überschaubaren Mitteln im Profifußball zu etablieren. Vier Millionen bekommt bei Rasenball ein schwedischer Spieler allein. Der will aber gar nicht mehr im schönen Leipzig bleiben, sondern gern nach Mailand oder Madrid wechseln. Natürlich gibt's dort mindestens das Doppelte. Pervers ...

Deswegen wünsche ich uns allen – ob LOK, Chemie oder den anderen kleinen Vereinen – einen Fußball, der bezahlbar für Zuschauer und Sponsoren bleibt, bei dem man als Fan und Mitglied noch ernst genommen wird und ein Mitspracherecht hat, wenn man es möchte. Als solcher kann man sich auch am Montag noch auf einen echten Spielbericht in der einzigen Leipziger Tageszeitung freuen und braucht keine tägliche Hofberichterstattung von einem sogenannten Chefreporter, der mittlerweile vergessen zu haben scheint, dass er eigentlich Sportredakteur ist.

Für manche muss es aber unbedingt Erstliga-Fußball sein. Wer dies nicht nur im Fernsehen verfolgen möchte, für den habe ich eine sehr sympathische Alternative. Regelmäßig fahre ich in das nur knapp 300 Kilometer entfernte Prag, wo die Pemanetka (Jahreskarte) unter 100 Euro kostet, das Bier einen Euro und man Erstligafußball schauen kann – nur eben etwas entspannter und nicht so scheußlich kommerziell. In diesem Sinne: »Auf geht's Chemie, schieß' ein Tor!« – beziehungsweise: »Bohemka do Toho!«.

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