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Leipzig Grün-As Stadtteilmagazin

Gedanken zum Kriegsende (2)

Kindheitserinnerungen die man nie vergessen kann

Am 8. Mai jährte sich das Ende des zweiten Weltkrieges zum 72. Mal. Unsere Leserin Hannelore Frömmig erlebte die letzten Tage des Krieges als Sechsjährige in einem Garten in der Grünauer Siedlung. Heute lebt sie noch immer in Grünau. Ihre Erinnerungen hat sie längst zu Papier gebracht und uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Als unsere Mutti mit dem ersehnten Getränk kam, bemerkte sie sofort, dass ein Schuh fehlte. Dieser bewegte sich in der Elbe. Die Schwimmer, denen ich noch zurief, konnten ihn nicht retten. Leider trafen wir unseren Vati in der Soldatenunterkunft nicht an. Wir legten den selbst gebackenen Kuchen auf sein Oberbett. Am Abend waren wir wieder zu Hause.

Der 24. August 1944

Ich hatte auf das kleine Dach einen Würfelzucker gestellt, damit ein Brüderchen kommen sollte. Aber am 24. August wurde Steffi in einer Klinik geboren. Mit Tante Fridel, die aus Leipzig gekommen war, besuchten wir die Mutti. Eine Schwester zeigte uns das Kind. Ich fand das Baby niedlich, aber sehr klein. Mutti hatte einen hohen Blutverlust erlitten und war sehr schwach. Vati erhielt durch Herrn Gebhardt die Nachricht und sofort auch die Genehmigung nach Meißen zu fahren. Denn er hatte die gleiche Blutgruppe wie seine liebe Frau. Die Übertragung erfolgte direkt. Mit großer Freude wurde Mutti und das Baby auf dem Bauernhof empfangen.

Der 13. Februar 1945

Durch den größten Luftangriff des 2. Weltkrieges wurde in nur einer Nacht die Kunststadt Dresden zerstört. Wir erlebten die Bomabardierungen nur wenige Kilometer entfernt. Wir mussten uns anziehen und standen nachts auf dem Gutshof. Es war furchtbar kalt. Dresden brannte lichterloh. Der Himmel zeigte ein blutrotes Bild. Die Menschen irrten auf den kaputten Straßen umher.

Im Frühjahr kamen die Flüchtlinge aus Schlesien und Ostpreußen. Sie mussten untergebracht werden. Ende März mussten auch wir weg. Es fuhren immer wenigerZüge und diese waren stets brechend voll. Im Kinderwagen lag Steffi und Moni saß auf einem Brett auf dem Wagen. Wir liefen und liefen. Ich trug rechts und links die wenigen Sachen und lief nebenher. In einer Schule mussten wir übernachten. Wir schliefen auf Stroh. Am nächsten Tag fuhren wir nach Leipzig und kamen auf dem Plagwitzer Bahnhof an. Gemeinsam marschierten wir die Karl-Heine- Straße entlang. In der Gutsmuthsstraße empfing uns die Großmutter. Alle waren überglücklich. Die Wohnung hatte uns wieder. Ohne Schaden. Jedoch in der Baumannstraße 14, wo meine Oma wohnte, hatte eine Bombe eine Zimmerwand zerstört.

Wohnen im Garten in Grünau 1945

Die Großmutter Anna Scheithauer »hütete« die Wohnung in der Stadt. Sie musste ständig in den Luftschutzkeller. Ihre Mutter in der Lindenauer Kaiserstraße sorgte sich um sie. Dann meinte Opa Michael ernsthaft, dass es sicherer wäre, wenn wir nach Grünau in seinen Garten ziehen würden. Die Milch würde gebracht. Die Betten für die Kinder Gedanken zum Kriegsende (Teil 2) Kindheitserinnerungen, die man nie vergessen kann stünden dort im Keller. Die Tür hatte schlauerweise keine Außenklinke.

Eines Nachts weckte uns der Gartennachbar Herr Förster. Wir sollten uns anziehen und eine Öffnung im Gartenzaun nutzen, um in seinen Keller zu gelangen. Am nächtlichen Himmel standen die »Christbäume« über der Stadt. So wurden die Markierungen genannt, die für die Flugzeuge anzeigten, wo sie ihre Bomben abwerfen sollten. Es wurde die letzte und schlimmste Angriffsnacht nach dem 4. Dezember 1943. Ich vergaß diesen Anblick beim Hinüberlaufen in den anderen Keller nie.

24. Juni 1945

An diesem Tag kam ein Zug auf dem Plagwitzer Bahnhof an und brachte viele Soldaten nach Hause. Einer von ihnen ging zu Opa Michael und ließ uns holen. Ein Freund vom Vater wäre da. Wir sollten vorsichtig vorbereitet werden. Ein Mensch saß auf einer schmalen Schuhbank. Die vielen Bartstoppeln verdeckten sein Gesicht. Er war nicht mehr der junge Soldat, den wir von den Fotografien auf dem Schreibtisch kannten. Endlich wieder daheim.

Der Krieg vernichtet alles – vor allem die Menschen. Und wer mit viel Glück, noch lebend nach Hause kommt, der sieht elend, hungrig und traurig, sehr traurig, aus. Unser Vati bekam erst einmal ein Badewanne und neue Kleidung. Zuvor hatte er uns alle lange, sehr lange gedrückt. Er kam zu seiner Familie zurück – zu seiner lieben, tapferen Frau, zu seinen drei Mädchen, zur Großmutter und zu den Eltern.

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